BUND Regionalverband Nordschwarzwald

Wildkatzenforschung vor der Haustüre

21. Januar 2021 | Lebensräume, Naturschutz, Wildkatze, Wälder

Lange war die Wildkatze verschwunden. Jetzt erobert sie sich (auch dank dem BUND) ihren Lebensraum langsam zurück.

Wildkatzen-Monitoring: Impressionen  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Hinweis: Link zum bebilderten Bericht

Relativ klein, selten, sehr scheu, störungsempfindlich und meist nur ab den Abendstunden aktiv. Dazu durch ihre beige-graue Fellfärbung perfekt an ein Verstecken im Unterholz und eine Jagd auf Lichtungen angepasst. Wer gerne einmal eine Wildkatze sehen möchte, muss sehr viel Geduld und Glück mitbringen – oder in eine der Wildkatzen-Schaugehege (Link zu Schaugehegen) gehen.

Die Wildkatze war lange Zeit aus Baden-Württemberg verschwunden. Erst seit 2 Totfunden 2006 und 2007 wissen wir sicher, dass es wieder Wildkatzen bei uns gibt. Die Gründe für den Rückgang und den Beinahe-Verlust der Art bei uns sind vielfältig und haben sich über die Zeit geändert. Früher war es vor allem die starke Jagd. Heute sind es Lebensraumverluste auf Grund von wachsenden Siedlungen und einer intensiven Landwirtschaft, Verinselungen der Populationen durch vielbefahrene Straßen und natürlich der Verkehr durch ein hohes Tötungsrisiko selbst.

Die Verknüpfung der wenigen nachgewiesenen Populationen über sogenannten Trittstein-Wälder und das Anlegen von Wildkatzen-Korridoren mit Aufforstungen und Über-/Unterführungen scheint sich positiv auf die Wildkatze in Baden-Württemberg auszuwirken. Dank umfangreicher Monitoring-Programme wissen mittlerweile deutlich mehr über den Zustand und die Ausbreitung und können so zu einem besseren Schutz der Art beitragen. (Link zu weiteren Informationen zur Wildkatze)

Wie aufwändig das Wildkatzen-Monitoring ist, konnte ich im Januar 2021 beim BUND-Bezirksverband Marbach-Bottwartal in der Nähe von Ludwigsburg miterleben. Andrea Lehning (BUND Referentin für Wildkatzenschutz) hatte mich eingeladen, ihr beim Überprüfen der Lockstöcke über die Schulter zu schauen – und auch mit anzupacken. (Link zu weiteren Informationen zum Monitoring)

Lockstöcke sind aufgeraute Kanthölzer, die mit einer Baldrian-Tinktur eingesprüht werden. Wir Menschen finden den Geruch nicht besonders angenehm. Für Katzen allerdings riecht die Tinktur überaus attraktiv nach einem Sexualpartner. Die Lockstock-Methode funktioniert deswegen während der Paarungszeit (Ranz) im Winter zwischen Januar und März am besten. Finden Katzen solch einen Stock, reiben sie sich an ihm und hinterlassen so auch ein paar wenige Haare.

Leider teilen Haus- und Wildkatzen beide die Vorliebe für Baldrian. Um herauszufinden, ob die Haare von einer Wildkatze stammen, werden sie vorsichtig mit Handschuhen und einer Pinzette vom Stock genommen, in sterile Tütchen verpackt und an dann an das Senckenberg-Institut für Wildtiergenetik in Gelnhausen zur genetischen Untersuchung geschickt.

Die Lockstöcke wurden weitläufig an strategisch hoffungsvollen Stellen im Bottwartal aufgestellt und über GPS in einer digitalen Karte gespeichert. Es braucht viele Helferinnen und Helfer um das ganze Gebiet abzudecken und untersuchen zu können. Dabei sind es nicht nur die Distanzen, die das Monitoring so aufwändig gestalten. Es sind auch die Untersuchungen an den Lockstöcken selbst. Werden Haare gefunden, dauert es sehr lange, bis wirklich jedes kleine Haar im Beutel landet. Aber auch wenn keine Haare gefunden werden, müssen die Stöcke jedes Mal neu präpariert werden. Das bedeutet: Aufrauen des Stocks mit einer Drahtbürste, gegebenenfalls neues Einkerben der Kanten mit einem Taschenmesser, Abflämmen mit einem Bunsenbrenner um genetische Verunreinigungen zu vermeiden und einsprühen mit der Baldrian-Tinktur. Außerdem wird jede Untersuchung schriftlich dokumentiert. Rund 25 km Fahrstrecke und 2 bis 3 Stunden Arbeit sind so für 4 bis 6 Lockstöcke einzuplanen. Die Vorarbeit und Koordination der Aktionen ist darin noch nicht einkalkuliert.

An 2 Stellen haben wir Haare gefunden. Ob sie von einer Wildkatze stammen, wird die Untersuchung im Senckenberg-Institut zeigen

Warum dieser Aufwand?

Aus gesellschaftlicher und politischer Sicht ist die Wildkatze ein tolles Beispiel dafür, dass wir als Menschen einen Fehler (so sieht es aktuell aus) in allerletzter Sekunde wieder gut machen konnten. Die Wildkatze war weg und ist jetzt, auch dank dem unermüdlichen Einsatz von Gruppen wie dem BUND Kreisverband Ludwigsburg, wieder da und vermehrt sich.

Aus Naturschutzsicht ist die Wildkatze eine aussagekräftige Zeigerart. Überall dort, wo sich die Wildkatze wohl fühlt, haben wir genau die kleinteiligen und strukturreichen Lebensräume, von denen auch viele andere (seltene) Arten abhängig sind.

Aus persönlicher Sicht, und hier kann ich nur für mich sprechen: Es ist einfach das spannende und aufregende Gefühl eines Entdeckers, der nach mehreren unbehaarten Stöcken zu einem Stock kommt und endlich Haare findet, die möglicherweise von einer Wildkatze sind.

Die Region Nordschwarzwald ist potenzieller Wildkatzenlebensraum und grenzt direkt an nachgewiesene Wildkatzenvorkommen im Rheintal oder rund um das Stromberg-Heuchelberg-Gebiet bei Heilbronn. Schön wäre es, wenn wir es als BUND-Nordschwarzwald schaffen, dass die Wildkatze auch bei uns passende Lebensräume vorfindet und bald auch wieder bei hier heimisch ist – vielleicht ist sie es ja schon.

Vielen Dank an unsere BUND-Wildkatzen-Vertretungsreferentin Andrea Lehning und den Bezirksverbandes Marbach-Bottwartal für ihren Einsatz für die Wildkatze.

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