BUND Regionalverband Nordschwarzwald

Dem Wald geht es schlechter denn je

27. Mai 2020 | BUND, Klimawandel, Lebensräume, Nachhaltigkeit, Naturschutz, Ressourcen & Technik, Wälder, Umweltbildung & Beratung

Trockenheit, Sturm und Borkenkäfer setzen dem Wald in Baden-Württemberg deutlich zu. Forstwirtschaft und Privatpersonen sind gleichermaßen davon betroffen. Gemeinsam mit Minister Peter Hauk (CDU) waren wir im Südschwarzwald vor Ort.

Fichtenwälder leiden unter Trockenheit, Sturm und Borkenkäfer.  (Patrick Maier / BUND Nordschwarzwald)

Südschwarzwald/Grafenhausen & Lenzkirch. „Dem Wald geht es schlechter denn je. Nicht nur die aktuelle Dürre bereitet ihm große Probleme“, so das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg in ihrer Einladung zum gemeinsamen Waldbegehungstermin am 27.5.2020 mit Minister Peter Hauk (CDU) und Vertretenden aus Forst, Verwaltung und Politik in den Südschwarzwald. Im Tross fahren wir gemeinsam vom Parkplatz der Brauerei Rothaus in Grafenhausen los. Wie schon in den letzten Wochen ist es sonnig und die Sicht reicht bis zu den Alpen. Vorbei geht es an kleinen Dörfern, Wäldern und Wiesen. Es könnte ein schöner Termin mit meinem Geschäftsführerkollegen Ulrich Faigle vom BUND Hochrhein sein, wären da nicht rechts und links der Straße immer wieder ganze Baumgruppen gräulich abgestorbener Fichten zu sehen. Wie schlecht es dem Wald wirklich geht, wurde schnell klar, als wir die wenigen Meter bis zum ersten Beobachtungspunkt hinter uns gebracht hatten. Fichten mit über 20 m Höhe standen wie Skelette im Wald. Die Kiefern hatten es etwas länger ausgehalten, sind aber so stark geschädigt, dass nicht mit einer Erholung gerechnet werden kann. Darunter sehen wir junge Weißtannen und selbst eine kleine Walnuss hat sich hierher auf rund 900 m verirrt. Sie sieht ziemlich vital aus. Borkenkäfer, die vergangen Dürrejahre und ein Sturmwinter mit beispielsweise Orkan Sabine am 11. Februar 2020 haben dem Wald hier stark zugesetzt. Der warme Winter führte dazu, dass bereits an Ostern die ersten Borkenkäfer ausgeflogen sind. Eine große Anzahl adulter Tiere hatte den Winter unbeschadet überstanden. Was über Jahrzehnte in den Staats-/Landesforsten und den Privatwäldern aufgebaut wurde, zerfällt buchstäblich zu Staub. Es „droht der wirtschaftliche Genickbruch“, so Thomas Emmerich, Leiter des Forstbezirks Südschwarzwald. Weiter erklärte er: Aktuell gibt es Holz im Überfluss, die Preie sind im Keller und die Absatzmärkte sind wegen Corona gestört. Um das Holz zwischenzulagern gibt es Nasslager, die sind aber schon fast voll. Der Preis, den die Sägereien zahlen ist im Keller. Teilweise verschiffen wir das Holz für 18 bis 20 € pro Festmeter in Containern nach China. Kostendeckend zu arbeiten ist damit nicht möglich. Im schlimmsten Fall muss das Holz mit Spritzmitteln behandelt oder gehäckselt werden.

Der absterbende Altbestand gefährdet dabei den Wald der Zukunft. Viele Baumarten wie Tanne oder Buche brauchen den Schirm alter Bäume und leiden unter dem plötzlichen und viel zu frühen Lichteinfall. Wie es mit diesem Waldstück weitergehen könnte, wird nach einer kurzen Fahrt sichtbar. Kaum ein Baum ist hier mehr höher als 1 Meter. Vereinzelt stehen noch ein paar letzte Bäume aus dem alten Bestand. Die Hoffnung ist, dass sie für eine natürliche Verjüngung sorgen. Wie sieht der Wald der Zukunft aus? Am Beispiel der Fichte wird klar, dass der Klimawandel die Baumartenzusammensetzung und damit das Bild des Schwarzwaldes verändern wird. „In Lagen unter 500 m wird die Fichte keine Chance mehr haben“, so Johannes Beck, Referatsleiter Fachbereich Forsteinrichtung und Forstliche Geoinformation in Freiburg. Laut Prognosen wird die Fichte in Zukunft erst ab ca. 500—800 m im Bereich schattiger Hänge mit guter Wasserversorgung wachsen können. Selbst in den vor einigen Jahren noch als sicher eingestuften Lagen von 800 bis 1.100 m braucht die Fichte mäßig frische (gemeint sind gute) Standorte. Ab 1.100 m hat die Fichte mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin gute Chancen. Beck gibt zu bedenken, dass es dafür bis 2100 maximal 2 °C wärmer werden darf. Auch bei anderen Baumarten sieht es oft nicht viel besser aus. „Selbst Baumarten wie die Weißtanne oder die Rotbuche, die in den letzten Jahren als Hoffnungsträger gehandelt wurden, leiden in vielen Lagen und zeigen Stresssymptome“, stellt Beck heraus. Für die Waldbewirtschaftung rate der Forst, so Beck, zu einer Risikostreuung. Auf Flächen über 0,1 ha sollten dabei mindestens 3 Baumarten genutzt werden. Aktuell sind rund 2/3 der Bäume, die vom Forst gepflanzt werden, Laubbäume. Neben heimischen Arten wie Eiche, Kiefer, Bergahorn werden auch andere Baumarten wie Orient-Buche, Atlaszeder oder Douglasie gepflanzt.

Im Nasslager Lenzkirch/Kappel zeigt sich das Ausmaß von Borkenkäfer und Klimawandel. Schon jetzt werden hier rund 25.000 Festmeter Holz bewässert. Die Kosten für die Gemeinden und Waldbesitzerinnen und -besitzer sind immens. „Schon jetzt stellt das Land den Waldbesitzern in der aktuellen Krise 28,6 Millionen Euro an Fördermitteln bereit, um das Schadholz aufzuarbeiten und neue Wälder anzupflanzen. Das reiche aber nicht aus. „Neben den bereits bestehenden Fördermöglichkeiten prüfen wir deshalb derzeit die Einführung einer ‚Klimawandelprämie‘, die in einem wirtschaftlich und klimatisch schwierigen Umfeld Anreize für eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder schaffen soll“, erklärte Minister Hauk. Nachlesen können Sie die Pressemitteilung des Landes unter: www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/hauk-will-waldbesitzer-mit-klimawandelpraemie-unterstuetzen-1/

In diesem Waldsterben erleben wir hautnah, wie sich viele Befürchtungen bewahrheiten. Monokulturen und nicht standortangepasste Baumarten fallen reihenweise um und machen damit Platz für ein vielfältigeres Ökosystem. Mit großem Aufwand arbeiten gerade viele Stellen daran, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Aus Naturschutzsicht gibt der Begehungstermin deshalb auch Grund zur Hoffnung. Genauso wie wir aktuell einen Wandel im Wald erleben, findet ein Wandel in der Zusammenarbeit zwischen Forst und Naturschutz statt. Als Geschäftsführer der Regionalstelle wünsche ich mit, dass die Schnittmengen noch ein bisschen größer werden. In Bezug auf den Nordschwarzwald stehen wir vor großen Herausforderungen. Es zeigen sich auch hier schon die ersten größeren Schadensherde.

Letztendlich hängt der Erfolg des Waldumbaus maßgeblich davon ab, ob wir unsere Klimaziele erreichen. Wer sich also weiterhin gegen die Mobilitäts- und Energiewende stellt und beispielsweise Windenergie als einen maßgeblichen Faktor der Energiewende auf Grund von optischen oder landschaftsästhetischen Interessen ablehnt, sollte sich selbst ein Bild von den Baumskelette im Südschwarzwald machen. Forst und Verwaltung lade ich dazu ein, mutig zu sein, und die abgestorbenen Bäume als sichtbares Mahnmal und Lebensraum für Tiere, Pilze und Pflanzen stehenzulassen.

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