BUND Regionalverband Nordschwarzwald

Wie sieht der Wald der Zukunft aus?

Endlich einmal wieder Regen. Es tröpfelt leicht, als wir uns auf der Schwanner Warte treffen. Leider kein Grund zur Entwarnung.

„Die tieferen Bodenschichten sind immer noch viel zu trocken. Wir haben gestern gegraben“, erklärt Sarah Zwerenz, Absolventin der Forsthochschule Rottenburg. Seit Frühjahr ist sie als Trainee für 2 Jahre im Forstamt tätig.

Waldbegehung in Straubenhardt Revierleitung der Forsten in Straubenhardt  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Ein bisschen stolz erklärt Michael Bruder, Revierleitung der Forsten in Straubenhardt, dass er seit vielen Jahren den Wald der Gemeinde hegt und pflegt. „15 Reviere gibt es noch seit der Neuorganisation der Forstreviere im Enzkreis. Nur 4 Gemeinden im Enzkreis haben noch einen eigenen Förster, Straubenhardt ist eine davon“, so Bruder. Die Arbeit ist dabei vielschichtig. Beratung der Gemeinde, Bewirtschaftung des Kommunalwalds, Klimawandel, Umwelt- und Naturschutz sowie die Mitnahme der Bevölkerung sind dabei nur einige Schlagworte in der Arbeitsbeschreibung eines Revierförsters.

Komplettiert wird unsere kleine Versuchsexkursion durch Bernhard Brenneis, Jagd und Wildtierbeauftragter im Forstamt Enzkreis, und den Autor selbst. Ich heiße Patrick Maier und bin seit Mai Geschäftsführer der BUND-Regionalstelle Nordschwarzwald in Pforzheim. Viele Fragen, die uns im Nordschwarzwald umtreiben, wollen wir vor Ort diskutieren: Was können wir aus der Vergangenheit lernen, vor welchen Herausforderungen stehen wir gerade hier im Nordschwarzwald, wie sieht der Wald der Zukunft aus, wie können wir gemeinsam die Weichen für eine nachhaltige Waldnutzung legen und ist die Schnittmenge zwischen Naturschutz und Forst wirklich so groß, wie Brenneis meint? Wir haben ein straffes Programm vor uns und rollen den Wald praktisch von unten nach oben auf.

Tieflage

Wir starten auf rund 300 m ü. NN zwischen Feldrennach und Ottenhausen in den Tieflagen des Gemeindegebiets im Übergangsbereich von kolliner zu submontaner Stufe. Natürlicherweise würde hier ein Rotbuchenwald mit Eichen und Hainbuchen vorkommen. Die Trockenheit der letzten Jahre hat den Buchen aber stark zugesetzt. „Sie waren so stark geschädigt, dass wir sie wegen der Verkehrssicherheit im Bereich der Straße fällen mussten“, so Bruder. In Zukunft soll hier ein Eichen-Buchen-Mischwald entstehen. Die jungen Buchen sind als Naturverjüngung schon da, die Eichen mussten angepflanzt und gegen Verbiss geschützt werden. „Die Fällungen“, berichtet Bruder, „sind aber nicht überall auf Verständnis gestoßen. Schön wäre es, wenn wir in Zukunft in einem engeren Dialog stehen würden und so die ein oder andere Unstimmigkeit schon am Anfang geklärt werden könnte.“

Vor Ort im Wald von Straubenhardt Waldbegehung Straubenhardt  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Mitnahme der Menschen und der Entscheidungsträgerinnen und -träger

In Bezug auf die Zuständigkeit ist Wald ist nicht gleich Wald, stellt Brenneis direkt am Anfang heraus. „Für die Bewirtschaftung des Staatswalds im Enzkreis ist seit der Forstreform am 1.1.2020 ForstBW zuständig. Als Untere Forstbehörde (UFB) im Enzkreis sind wir als Forstamt Dienstleister für die Bewirtschaftung des Kommunalwaldes sowie die Beratung und Betreuung im Privatwald und die hoheitlichen Belange im gesamten Wald zuständig. Im Bereich des Kommunalwaldes bedeutet das beispielsweise, dass der Gemeinderat darüber entscheidet, wie der Wald bewirtschaftet werden soll.“ Wünschenswert, so Tenor aller Teilnehmenden, wäre ein engerer Austausch mit den Akteuren. „Genau so etwas wie das was wir heute machen. Anschauen, fragen, diskutieren und auch vor schwierigen Themen keine Angst haben!“

Waldbegehung Straubenhardt Jagd und Wildtierbeauftragter im Forstamt Enzkreis  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Mittellage

Leicht bergauf schlängelt sich die Straße bis zum nächten Stopp auf rund 500 m Höhe. Natürlicherweise würde hier ein Fichten-Tannen-Buchenwaldvorkommen. Auf einer größeren Lichtung im Wald ein bekanntes Bild. Hunderte junge Eichen wachsen geschützt zwischen jungen Rotbuchen, Kiefern und Douglasien. „Als Umweltmaßnahme für ein Bauprojekt wollen wir hier einen Fichten- und Douglasienforst zu einem naturnahen und klimaangepassten Mischwald umbauen. Der Aufwand dafür ist allerdings ziemlich hoch und kostenintensiv. Beispielsweise haben wir schon zum zweiten Mal die jungen Douglasien und Fichten entnommen, damit sie die anderen Bäume nicht überwuchern“, erklärt Bruder. Ich muss schmunzeln und erinnere mich an eine Vorlesung im Studium – „In einem Fichtenforst, kommen halt auch nur junge Fichten nach. Wo sollen die anderen Baumarten auch plötzlich herkommen?“

Nicht nur die Durchforstung ist aufwendig, stellt Brenneis dar. „Mit den ganzen Bromberen und den jungen Laubbäumen, aber auch den landwirtschaftlichen Flächen nebenan, haben wir ein Schlaraffenland für Reh-, Rot- und Schwarzwild. Ohne Schutz und Jagd wäre der Waldumbau hier nicht möglich.“ Sehr wichtig dabei ist ein intensiver Dialog mit den Jägerinnen und Jägern.

„Ziel ist, dass wir bereits vorhandene und trockenheitstolerante Arten wie Kiefern, Eichen und Lärchen schützen und freistellen und mit den jungen Setzlingen einen gesunden Wald bekommen,“ so Bruder. „Bei der Baumartenwahl verlassen wir uns dabei auf die Klimaprognosen der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt FVA in Freiburg und unsere Erfahrung im Gebiet. Wie es letzendlich kommt, wissen wir nicht zu 100 %. Wir können mit einem artenreichen, gemischten, gestuften und gut gepflegten Wald aber das Risiko streuen und dafür Sorge tragen, dass wir auch in Zukunft einen widerstandsfähigen und ökologisch wertvollen Wald haben.“

Wir fahren weiter in Richtung Schwann und halten im Bereich eines schattigen Hangs mitten Wald. Bruder und Zwerenz holen wiedereinmal ihre 2 großen Baumartenkarten heraus. „Füher hatten wir hier viel Fichte“, erklärt Bruder. „Vor ein paar Jahren haben wir hier auf der Borkenkäferlichtung gruppenweise Douglasien gepflantzt. Sie scheinen sich unter diesen Bedingungen gut zu entwickeln. Für die Vögel und Insekten haben wir einen Streifen mit unterschiedlichen Bäumen und Sträuchern stehen gelassen.“ Weil ich weiß, dass schon länger eine teils angespannte Diskussion um die Douglasie geführt wird, freue ich mich umso mehr über die Offenheit und das Vertrauen. Es spricht für sich, dass wir uns sowohl einen Standort angeschaut haben, wo die Douglasie nicht passt und entnommen wird, als auch einen Standort, wo die Douglasie getestet wird.

Exkurs: Reizthema Douglasie

Die Douglasie (Pseudotsuga menziesi) ist in Europa in der letzten Eiszeit ausgestorben und wurde als sogenannter Neophyt Mitte des 18. Jahrhunderts wieder eingebürgert. Bisher wird sie nicht als Bestandteil der heimischen Vegetation angesehen. Die Douglasie verjüngt sich sporadisch, beispielsweise in einigen Schwarzwaldlagen. Je nach Definition wird sie als invasive Art angesehen. Eine Art gilt nach dem Naturschutzgesetz als invasiv, wenn sie beispielsweise ein Gefährdungspotenzial für die Artenvielfalt darstellt. Seit vielen Jahren wird eine kontroverse Diskussion um die Chancen und Risiken der Douglasien-Nutzung geführt.

Auf 700 Meter

Es geht weiter in die oberen Schwarzwaldlagen von Straubenhardt in Richtung Dobel. Kurz nach dem Recyclinghof sehen wir, wie eine natürliche Verjüngung mit standorttypischen Arten aussehen kann. Ein schöner Mischwald aus Tannen und Buchen in unterschiedlichen Altersstufen mit genug Platz und Licht, dass auch andere Arten eine Chance haben. Etwas weniger schön sieht der Wald im Bereich der Windräder von Straubenhardt bei unserem letzten Stopp aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden hier große Flächen für Reparationszahlungen abgeholzt und mit Fichte aufgeforstet. Bekannt sind diese Flächen in Baden-Württemberg als Franzosenhiebe. Heute, also rund 70 Jahre später, sind die Forstreviere noch immer damit beschäftigt, diese Forste zu einem zukunftsfähigen Wald umzubauen, teils auch unter Mithilfe des Borkenkäfers.

Gemeinsame Versuchsexkursion in den Wald von Straubenhardt Bernhard Brenneis, Patrick Maier, Sarah Zwerenz, Michael Bruder  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Eine Anekdote zum Schluss

Ein eigenes Profil ist nicht nur in der Politik wichtig. Gerne hätte ich dementsprechend zum Abschluss der Exkursionen den Finger in die ein oder andere Naturschutz-Wunde gelegt. Etwas herausfordernd merke ich an, dass „der Wald ja überall sehr hübsch und aufgeräumt ausgesehen hat – vielleicht ein bisschen zu hübsch mit zu wenig Totholz,“ und bin auf die Reaktion gespannt. Bruder pflichtet bei, Brenneis schmunzelt und meint, dass er gerade dasselbe fragen wollte. Bruder erklärt: „Wir haben noch viele Bereiche mit hohen Fichtenanteilen und haben deswegen in den letzten Jahren viele befalle Bäume so schnell wie möglich entfernt. Langfristig ist unser Ziel, einen stabilen Wald mit mehr Totholz zu haben.“ Ich erinnere mich an die Worte von Bernhard Brenneis zu Beginn unserer Exkursion: „Ich glaube, wir haben schon eine sehr große Schnittmenge zwischen Naturschutz und Forst, wir müssen uns dieser nur bewusst werden und mehr miteinander reden!“

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