Können Wildtiere, die normalerweise große Territorien durchstreifen, artgerecht in einem Park gehalten werden, der aktuell rund 0,1 km² groß ist? In freier Wildbahn haben Braunbären oft Territorien von rund 100 km², Wölfe in Mitteleuropa von rund 250 km² und der Luchs zwischen 50 und 300 km². (Büro für Wildökologie, www.beutegreifer.at) Susanne Duffing und ich, Patrick Maier, sind gespannt, mit welchen Eindrücken wir nach unserem Treffen mit dem Team vom Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald in Bad Rippoldsau-Schapbach nach Hause fahren werden.
Mit einem geländegängigen Elektro-Caddy werden wir am Eingang vom Bärenpark von Sabrina Reimann (Projektleitung), Teresa Carl (Stellvertretende Projektleitung und Pädagogik) und Franziska Goldner (Pädagogik) abgeholt. Sabrina Reimann, sieht uns unsere Fragen sprichwörtlich an der Nasenspitze an und erklärt, dass viele Besucherinnen und Besucher die Frage stellen, ob eine artgerechte Haltung der großen Beutegreifer, also Wolf, Luchs, Bär, in einem Park möglich sei. „Nein,“ so Reimann, „artgerecht ist nur die Natur und am allerbesten wäre es, wenn die Tiere frei sein könnten und es unseren Park nicht geben müsste. Die Tiere, die bei uns im Park sind, kommen aber aus schlechten, teils katastrophalen Haltungen. Sie wurden in viel zu enge Käfigen gesteckt, als Touristenattraktion missbraucht oder anderweitig misshandelt. Sie haben nie ein natürliches Verhalten gelernt und sind auf den Menschen fixiert. Eine Auswilderung von unseren Bären, Wölfen und Luchsen ist leider nicht mehr möglich. Im Bärenpark können wir den Tieren aber ein verhaltensgerechtes und naturnahes Leben ermöglichen. Sie können hier toben, plantschen, sich zurückziehen und müssen selbst nach Futter suchen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich die Tiere schon nach kurzer Zeit entwickeln. Wir sehen aber auch Verhaltensstörungen, beispielsweise das Tatzen-Nuckeln von Bär Agonis aus Albanien. Die Mutter von Agonis wurde von Wilderern erschossen, als er noch sehr jung war. Ohne Kontakt zu anderen Bären wurde er von einem Restaurantbesitzer aufgezogen.“
„Wichtig ist uns, dass sich die Besucherinnen und Besucher Zeit nehmen. Sie sollen die Schicksale kennenlernen und darüber hinaus auch ein Verständnis für die Lebensraumansprüche von Bär, Wolf und Luchs entwickeln. In unseren Parks in Worbis in Thüringen und hier im Schwarzwald geht es also kurz gesagt, sowohl um Tier- als auch um den Artenschutz,“ erklärt Carl. „Und es geht uns vor allem um die Tiere und nicht darum, dass die Besucherinnen und Besucher das beste Foto schießen können,“ merkt Reimann an. „Wir haben deshalb auch keine verglasten Wände, sondern nur die durchgängigen und mehrfach gesicherten Wildtierzäune.“
Langsam rollen wir in unserem E-Caddy los. Schon kurze Zeit später halten wir an. Wir haben Glück und sehen Luchsin Catrina im Gebüsch. Catrina kommt aus Frankreich und wurde dort in einem viel zu kleinen Gehege auf Steinboden gehalten. Hier hat sie deutlich mehr Platz. Der Park im Schwarzwald, so wird uns erklärt, wurde so aufgebaut, dass die Tiere wie in der Natur zusammenleben. Es gibt viele gemeinsame Bereiche für Bär, Wolf und Luchs und es gibt abgetrennte Rückzugszonen, beispielsweise für Luchse. Bären oder Wölfe gelangen hier nicht hin.
Für das Verhalten der Tiere ist diese durchmischte Haltung gut. Beispielsweise bekommen sie das Futter immer wieder an unterschiedlichen Stellen und zu unterschiedlichen Zeiten. Die Tiere müssen sich auf ihre Nasen verlassen und schnell genug da sein, um auch einen Happen abzubekommen. Sie müssen sich also das Mittagessen selbst verdienen. Und auch die Sozialkontakte tun den Tieren gut. Die alte Dame Kaja ist wieder richtig fit, seitdem sie ihren jungen Liebhaber Arian hat. Nachwuchs ist nicht zu erwarten. Alle Tiere wurden kastriert oder sterilisiert.
Während wir im Stop-and-Go weiter durch den Park fahren, wird uns klar, mit wie viel Herzblut und Tierliebe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch die Ehrenamtlichen am Werk sind. Dabei geht es nicht nur um die Bären, Wölfe oder Luchse, sondern auch um Naturschutz und Umweltbildung. Der Park baut gerade ein Kompetenzzentrum für Wildtiere auf, organisiert wissenschaftliche Tagungen, führt Fachberatungen von Tierparks und Privathaltungen durch und bietet Führungen für die Besucherinnen und Besucher an. Gerade in den Führungen lernt man viel über die Tiere und auch die Ökosysteme in denen sie leben.
Neben den Beutegreifern sollen sich im Bärenpark auch kleinere Tiere wohl fühlen. Goldner springt immer wieder vom E-Caddy ab und erklärt den Kindern, dass genau an der Stelle, wo sie gerade klettern eine seltene Höllenotter lebt, oder bittet die Eltern, die Hunde an die Leine zu nehmen, damit die Molche im Tümpel nicht beim Baden der Hunde getötet werden.
Die Bienenstöcke und Wildbienenunterkünfte befinden sich gleich neben dem Indianer-Gebiet. „Wir lassen uns immer wieder etwas Neues einfallen,“ berichtet Carl und fügt an, dass das Indianerfest dieses Jahr wegen Corona leider ausfallen muss. „Schön wäre es, wenn mehr Wildbienen unser Bienenhotel nutzen würden. Dafür geht es aber unseren Bienen gut,“ freut sich Sabrina Reimann und öffnet den Schaukasten. Innen herrscht reges Treiben. „Gerne können wir uns die Wildbienen zusammen anschauen,“ gebe ich in die Runde und erkläre, dass ich in der letzten Zeit viel über den Bau von Unterkünften von unseren BUND-Ortsgruppen und engagierten BUNDlern gelernt habe. Ich denke an den Insektengarten von Familie Faaß aus Straubenhardt, die neue Wildbienenunterkunft der Ortsgruppe Heckengäu oder den Vortrag des Nabu-Mitglieds Ralf Aldinger über den Bau von Wildbienen bei der BUND-Ortsgruppe in Nagold. „Als erstes“ und dabei fallen mir die Worte von Klaus Faaß ein, „sollten wir die Bienenhotels nicht Hotels bezeichnen. Wir wollen ja, dass die Bienen nicht nur zeitlich befristete Gäste sind, sondern dass sie sich dauerhaft hier ansiedeln. Wir machen deswegen Wildbienenunterkünfte.“ Gemeinsam betrachten wir, welche Wohnhöhlen verschlossen sind und welche nicht. Dabei fallen uns die Risse im Stirnholz auf. Ich erkläre: „Der Erfolg hängt maßgeblich davon ab, dass die Löcher glatt gebohrt, tief genug, hinten verschlossen und nicht gerissen sind. Löcher zwischen 3 und 10 Millimeter sind perfekt. Leider reißt das Holz oft, wenn ins Stirnholz gebohrt wird. Die Kiefernzapfen und das Stroh im geschützten Holzkasten werden nicht von Wildbienen angenommen und können raus.“
„Gerne würden wir mehr in Richtung Naturschutz machen. Tausende Besucherinnen und Besucher kommen jedes Jahr in den Park. Es wäre schön, wenn wir zum Beispiel Aktionen zu Wildbienen- und Insektenschutz, zu Vögeln und Fledermäusen oder zum Wildtiermanagement im Nordschwarzwald anbieten könnten. Alleine können wir das leider zeitlich nicht alles selbst leisten,“ so Reimann.
Schön wäre es, so unser gemeinsamer Eindruck, wenn wir uns zusammen für den Schutz der Umwelt einsetzen könnten. Warum nicht die eine oder andere BUND-Aktion im Bärenpark machen? Wir könnten das Angebot im Park toll um beispielsweise den Bereich Wildkatze erweitern. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch unsere Ortsgruppen Spaß daran haben würden, aus dem normalen Naturschutzalltag auszubrechen.
Müde und mit vielen Eindrücken fahren wir von einem aufregenden Termin zurück. Es hat länger gedauert als gedacht. Wolf und Luchs sind bei uns im Nordschwarzwald wieder da und ich bin beruhigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bärenpark nicht nur tolle Aufklärungsarbeit leisten, sondern auch für den Fall gewappnet sind, falls zum Beispiel ein Verkehrsunfall mit einem Luchs oder Wolf passiert. Sie sind vorbereitet, wenn das Tier transportiert und versorgt werden müsste. Die Planungen gehen sogar soweit, dass ein separates Gehege für solche Fälle gebaut werden soll, in dem das Tier nicht mit den Besucherinnen und Besuchern in Kontakt kommt und wieder ausgewildert werden könnte.