BUND Regionalverband Nordschwarzwald

Sozialstunden beim BUND: Von Eidechsenbiotopen und dem Umweltschutz, der am Egoismus scheitert

„Hallo Herr Maier, kann ich einen Jugendlichen mit 4 Sozialstunden an Ihre Einrichtung vermitteln?“, Absender ist das Jugendamt. Wir sind als Geschäftsstelle und Vorstandschaft etwas skeptisch, entscheiden uns dann aber schnell dazu, dem Jugendlichen eine Chance zu geben. Einerseits haben wir uns als Verein eine soziale Verantwortung auf die Fahnen geschrieben. Andererseits konnten wir zusätzliche Hände gut gebrauchen: Die Eidechsenbiotope in Mühlacker mussten für den Winter fest und das Frühjahr fit gemacht werden.

Ich hole ihn – mehr über seine Person wird nicht verraten – vom Bahnhof ab. Er ist pünktlich und passend angezogen – ich bin ein klein bisschen erleichtert. Der gute und freundliche Eindruck setzt sich auf der Fahrt nach Mühlacker fort. Er hatte und hat es nicht immer leicht, ist schon gut rumgekommen in seinen knapp 20 Jahren.

Totholz für das Eidechsenbiotop  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

14 Eidechsenbiotope müssen heute gepflegt werden. Gras und Gebüsch entfernen, weiteres Totholz zusägen und aufschichten, die Sandlinse (Mergelgrus) für die Eiablage freilegen.

Steine, Totholz und ein Mergelgrus (Sandlinse) für das Eidechsenbiotop  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Es zieht sich, bis wir damit fertig sind und wir haben Zeit, miteinander zu reden. Gerne möchte er wissen, wie man zum BUND kommt. Ich schmunzle und sage wahrheitsgemäß: „Allgemein kann ich das nicht sagen. Bei mir war es ein passendes Studium, ein sogenannter nichtlinearer Lebenslauf mit unterschiedlichen Stationen und auch ein bisschen Glück.“ Und wie kommt man zu 4 Sozialstunden frage ich. „Schwarzfahren.“ Es ist ja fast schon ironisch, denke ich, dass er dafür bei uns gelandet ist, wo wir uns doch als BUND immer wieder dafür einsetzen, dass der ÖPNV mehr genutzt und billiger wird. Natürlich möchte ich auch wissen, wie er den Natur- und Umweltschutz sieht und bewertet.

Er zeichnet ein hartes und wenig optimistisches Bild. „Es gibt Länder, da liegt der Müll auf den Straßen. Die Straßenhunde leben davon. Die Menschen kümmern sich nicht darum, oder um den Umweltschutz. Für sie geht es ums Überleben und darum, wo sie wohnen und was sie zum Essen haben.“

Und bei uns in Deutschland? „Wir sind an Luxus und Annehmlichkeiten gewöhnt. Wir fahren mit dem Auto oder essen billiges Fleisch und wollen darauf nicht verzichten. Letztendlich ist der Mensch hier wie dort egoistisch.“

Wie wird die Zukunft mit Blick auf unsere Umwelt? „Die Zukunft sehe ich pessimistisch, obwohl viele Menschen versuchen, die Umwelt zu schützen. Es gibt allerdings noch viel mehr Menschen, die egoistisch sind und nicht umweltgerecht handeln.“

Was befürchtest du, frage ich. „Ich befürchte noch mehr Streit und Krieg um Nahrung und Raum und dass sich die Gesellschaft noch mehr in arm und reich aufspaltet. Wir haben ja jetzt schon Klimaflüchtlinge oder Kämpfe ums Wasser.“

Das Interview stimmt mich nachdenklich. Ich kann seine Einschätzung gut nachvollziehen. Die Wissenschaft kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Trotz dieser düsteren Aussichten hat es Freude gemacht, mit ihm zu arbeiten. Sollte er noch einmal Sozialstunden bekommen und bei uns landen, lasse ich einen Lastwagen Steine kommen. Er, das gebe ich ihm mit einem Augenzwinkern mit auf den Weg, würde sie dann ganz alleine zu weiteren Biotopen aufschichten müssen. Er lacht und verspricht, dass das nicht der Fall sein wird.

Im Aussteigen ruft er noch: „Kann ich bei euch eigentlich auch ein Praktikum machen?“ – „Schick mir eine ordentliche Bewerbung und ich überlege es mir.“

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