Exkursion: Wirtschaften im FFH-Wald

Wälder übernehmen viele Aufgaben. Vor allem sind sie aber auch Lebensraum für viele Tiere, Pflanzen und Pilze. Leider bedeutet eine Nutzung immer wieder eine Verschlechterung der ökologischen Qualität und eine Nichtnutzung einen Ausfall für die Forstwirtschaft. Dass die Rohstoffversorgung nicht immer großflächig ausfallen muss, erklärt Christian Feldmann, Leiter des Forstbezirks Unterland vom Landesforst ForstBW: „Eine Holznutzung bedeutet in vielen Fällen auch die Pflege von Bäumen zur Entwicklung großer Kronen und damit umweltstabiler Einzelbäume.“ Christoph Schramm, Waldexperte vom BUND-Baden-Württemberg sieht die aktuelle Durchforstungs- und Auflichtungspraxis auf Nachfrage im Nachgang kritisch: „Problematisch ist, dass die Verdunstung durch die Eingriffe zunimmt und dadurch das Risiko weiterer Waldschäden steigt. Klar gibt es einige Arten, die nur in lichten Wäldern vorkommen. Durch Trockenschäden oder Windwurf entstehen die Lichtwälder aber derzeit ohnehin zuhauf.“ Als BUND-Nordschwarzwald beobachten wir, dass wir uns trotz aller Vorsicht immer wieder in einem Spannungsfeld zwischen Artenschutz und fortwirtschaftlicher Nutzung befinden. Einen Spezialfall stellen dabei Wälder mit Naturschutzstatus, beispielsweise die Fauna-Flora-Habitat-(FFH-)Waldgebiete rund um Maulbronn dar.

Gemeinsam mit dem BUND-Ortsverband Maulbronn und dem Forst waren wir im Mai 2021 im Wald rund um Maulbronn unterwegs. Wir haben uns bei dieser Exkursion 2 Waldstandorte angeschaut, wo aus Sicht des BUND ein Zielkonflikt zwischen Nutzung und Naturschutz auftritt. Mit dem Forstamt Enzkreis waren wir morgens in einen Eichenmischwald mit FFH-Status und Naturschutzgebiet. Nachmittags haben wir uns mit dem Staatsforst (ForstBW Leitung Forstbezirk Unterland und Betriebszentrale Bebenhausen, Fachbereich Biodiversität) einen FFH-Buchenmischwald genauer angeschaut. In beiden Wäldern kommen unter anderem die Bechsteinfledermaus und das Große Mausohr vor.

Klaus Timmerberg - Großes Mausohr  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Die Bechsteinfledermaus lebt in strukturreichen und naturnah bewirtschafteten Laubmischwäldern mit vielen alten Buchen und Eichen in Asthöhlen und Spalten. Sie ist mit den breiten Vorderflügeln ein echter Flugkünstlern, jagt fliegende Insekten und kann diese selbst im relativ dichten Baumbestand und Buschwerk noch erbeuten. Sie ist sehr eng an alte Wälder mit reichem Insektenbestand und zahlreichen Baumhöhlen gebunden und legt von den Wochenstuben zu ihren Jagdhabitaten nur geringe Distanzen zurück. Die Großen Mausohren hingegen ziehen ihre Jungen in Wochenstuben im Siedlungsgebiet auf (große Dachstühle in alten Gebäuden und Kirchen). Für die Nahrungssuche nehmen sie zwar große Flugstrecken auf sich, sind aber aus energetischen Gründen in den Zeiten der Jungenaufzucht besonders auf intakte Jagdgebiete in unmittelbarer Umgebung der Wochenstuben angewiesen. Sie brauchen für ihre Jagdweise alte und relativ dunkle Laubwaldbestände. Das Große Mausohr ist ein Bodenjäger. Das heißt, es fliegt dicht über dem Erdboden und jagt nach flugunfähigen Laufkäfern. Sie hört die Käfer im Laub rascheln. Wenn wegen einem Sturmwurf, absterbender Bäume in Folge des Klimawandels oder einer Durchforstung zu viel Licht auf den Waldboden fällt, wachsen dort sehr schnell Gras, Büsche oder junge Bäume. Das Große Mausohr kann dort dann nicht mehr jagen. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie ein FFH-Wald, in dem der Schutz der Fledermäuse eine zentrale Rolle spielt, gepflegt wird, damit der Schutzauftrag erfüllt wird.

Andreas Roth - Forst Enzkreis  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Neben den fachlichen Fragen ging es auch darum, die Kommunikation zu verbessern und verschiedene Verständnisschwierigkeiten auszuräumen. Eine Diskussion dreht sich dabei immer wieder um das Alter der Bäume, den Altholzanteil und die Naturverjüngung. „Aus forstlicher Sicht ist neben dem maximalen Alter, das ein Einzelbaum erreichen kann, auch entscheidend, wie lange Bestände in ihrer Gesamtheit vital und damit lebensfähig bleiben. Ein zentrales forstliches Anliegen ist es hierbei, im Rahmen der gelebten Nachhaltigkeit in jeder Generation auch junge Waldbestände zu begründen, um sicher zu stellen, dass es in 200 Jahren wieder und immer noch 200-jährige Eichen für unsere Folgegenerationen gibt“, so Andreas Roth, Amtsleiter Forstamt Enzkreis. Für die Buche gilt beispielsweise eine Umtriebszeit von mindestens 120 bis 140 Jahre. Mit Blick auf die Naturverjüngung wird aber oft bereits ab einem Alter von 80 Jahren damit begonnen, einzelne Bäume zu entnehmen und damit Licht für die nachkommenden Generationen auf den Boden zu lassen. Weiter erklärt Roth: „Da viele unserer Altbestände aus einer ehemaligen Mittelwaldbewirtschaftung mit Waldweide hervorgehen, sind die einzelnen Bäume sehr unterschiedlich alt. Insbesondere Bäume, die aus sogenannten Stockausschlägen entstanden sind, haben unter den letzten Trockenjahren sehr gelitten oder sind abgestorben. Als Forst rechnen wir damit, dass die Bäume in Zeiten des Klimawandels voraussichtlich eher kürzere Lebenserwartungen haben werden.“

Was aus forstwirtschaftlicher Sicht und mit Blick auf die Naturverjüngung nachvollziehbar ist, kann für Fledermäuse zum Problem werden. „Sie brauchen ältere Wälder. Für die naturschutzrelevanten Arten im FFH-Gebiet sind großflächige Eichenbestände von mehr als 200 Jahren und Buchenbestände mit mehr als 160 Jahren Entwicklungszeit notwendig, damit genügend Nischen für die geschützten Arten (wertgebende Habitat-Ausstattung für die genannten FFH-Schirmarten) entstehen können,“ stellt Klaus Timmerberg vom BUND-Maulbronn dar. Der BUND-Maulbronn kümmert sich seit vielen Jahren unter anderem um das Fledermausmonitoring vor Ort.

Als BUND-Nordschwarzwald nehmen wir wahr, dass moderne Forstwirtschaft und Einhaltung der wesentlichen Schutzziele des FFH-Gebietes auf der derselben Fläche sehr anspruchsvoll sind. Gemeinsam mit dem Forst stehen wir vor den Fragen, wie wir dem Wald landesweit genügend Raum und Zeit geben, damit sich wieder Naturwälder mit stabilen Artbeständen entwickeln können und wie wir den Zielkonflikt zwischen Wirtschaftlichkeit, Rohstoffnutzung und Biodiversitätsschutz lösen können. Ein Lösungskonzept des Forsts, so Christian Feldmann, stellt das Alt- und Totholzkonzept dar: „Im Staatswald des Landes und auch in vielen anderen Forstbetrieben wird das Alt- und Totholzkonzept Baden-Württemberg umgesetzt. Es sieht ein verzweigtes Netz von Habitatbaumgruppen mit rund 15 Einzelbäumen und Waldrefugien mit Flächen zwischen 1 und in der Regel 3 Hektar vor. Dort dürfen die Bäume alt werden, eine forstliche Nutzung findet nicht statt.“ Als Naturschutz begrüßen wir das Alt- und Totholzkonzept als Vorsorgekonzept im Wirtschaftswald, befürchten aber, dass es beispielsweise in vielen FFH-Wäldern nicht ausreicht, um die spezifischen Schutzziele zu erreichen.

Die zukünftigen Aufgaben im Wald brauchen einen guten Austausch zwischen Forst und Naturschutz (l.o.) Patrick Maier & César Gascon Iglesias (beide BUND), Bernd Obermaier // (l.u.) Bernhard Brenneis, Steffen Mauch & Peter Wilhelm (beide BUND)  (Patrick Maier / BUND-Nordschwarzwald)

Klar ist, dass wir dafür die Expertise der Försterinnen und Förster vor Ort brauchen und dass die Diskussion nicht auf dem Rücken der direkt vor Ort handelnden Personen ausgetragen werden darf. Da nicht jede Försterin/jeder Förster Fledermausexperte ist und sich nicht alle Naturschützerinnen und -schützer mit den Aufgaben und Herausforderungen der Forstwirtschaft auskennen, sind gemeinsame Begehungen im Wald für den Wissenstransfer sehr wichtig. Der Austausch ermöglicht, dass für die andere Seite ein Verständnis entsteht und dass wirklich eine Verbesserung erreicht werden kann. Ziel sollte sein, dass vorhandenes Wissen über seltene und geschützte Arten möglichst vielen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden kann – darin sind sich Forst und Naturschutz einig. Neben den übereinstimmenden Zielen stellte sich aus unserer Sicht bei den Terminen auch heraus, dass noch diverse strukturelle Verbesserungspotenziale schlummern. Beispielsweise berücksichtigen die bisherigen Bewirtschaftungspläne die speziellen Schutzziele der Schutzgebiete oft zu wenig. „Es ist dringend geboten,“ so Timmerberg, „dass sich dieser Zustand ändert und dass die Naturschutzverbände und die Naturschutzbehörden schon bei der Erstellung der Einschlagspläne beteiligt werden, beziehungsweise die gesetzlich vorgeschriebene FFH-Verträglichkeitsprüfung erstellt wird. Nur so werden sich in Zukunft Schäden vermeiden lassen. Gemeinsam können wir dann mit der Forstverwaltung auch überlegen, wie wir für die Fledermäuse und viele andere Arten dauerhaft Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten erhalten und verbessern und so unseren Beitrag zur Biodiversität leisten können.“

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