Der inzwischen bundesweit bekannt gewordene Bau eines Autobahnteilstückes durch den Dannenröder Wald zerstört nicht nur den Lebensraum vieler geschützter Arten, sondern gefährdet auch die Trinkwasserversorgung von 500.000 Menschen. Die neu in die Vorstandschaft gewählte und ursprünglich aus Hessen stammende Sibylle Eimermann-Gentil war im Oktober und November vor Ort und hat sich für uns umgeschaut. Sie hat dabei auch mit Wolfgang Dannenhöfer vom BUND-Vogelsberg gesprochen. So viel sei vorweggenommen. Die möglichen Auswirkungen sind verherend!
Lautes Singen und Schreien der Aktivisten in den Bäumen, das Megaphon der Polizei tönt. Die Polizei ist hier im Wald in Armeestärke präsent und geht gegen die Naturschützerinnen und -schützer in den Bäumen mit schwerem Gerät vor. Holz knirscht, ächzt und zerspringt, die Maschinen jaulen auf, die Hebebühne rumpelt weiter, nachdem ein Besetzer aus seiner Baumbehausung geholt wurde. Die sonore Stimme des Polizeipressesprechers rechtfertigt das teils brutale Vorgehen seiner Kolleginnen und Kollegen. Wispernde Stimmen der wenigen Beobachter, Presseleute, parlamentarischen Beobachter und von mir kommentieren das grausige Szenario. In den Dörfern im Umkreis herrscht seit Wochen Ausnahmezustand. Sie sind belagert von hunderten Polizeibussen und werden durch das nächtliche Blaulicht wachgehalten. Erinnern Sie sich noch an den Kinohit „Avatar“? Dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung, was dieser Wald und die in ihm lebenden Tiere, Pflanzen und Menschen gerade erleben.
Beim Streit um den Dannenröder Wald, kurz den Danni, geht es um ein gut 40 Kilometer langes Teilstück der A 49 durch einen gesunden Mischwald in Mittelhessen, grob zwischen Vogelsberg und Marburg nahe Stadtallendorf, dem Standort des Süßwarenherstellers Ferrero. Die Idee des Autobahnteilstücks durch den Danni wurde vor rund 40 Jahren geboren. Zu dieser Zeit sprach kaum jemand in der BRD von Artensterben, Klimawandel und Wassermangel. Es ist ein Projekt, das mit heutigem Wissen völlig aus der Zeit gefallen ist. Geradezu grotesk erscheint es nun, dass der Grüne hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir nun ausführt, was sich die Landes-CDU als Koalitionspartner wünscht und der sehr umstrittene Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) befielt: Ab nächsten Herbst soll gebaut werden. Deshalb muss der Wald Ende Februar gerodet dem Bauherrn übergeben werden. 85 Hektar ökologisch gesunder Mischwald plus 250 Hektar weitere Fläche werden für diesen Irrsinn versiegelt. Erwähnt sei an dieser Stelle noch, dass es sich bei dem Projekt um eine öffentlich-private-Partnerschaft handelt. Investoren lieben solche Finanzierungsmodelle, weil sie selbst wenig zahlen müssen und die Kosten auf den Steuerzahler abgewälzt werden.
Im Herrenwald, ein Natura 2000-Gebiet und Heimat von Kammmolchen, wurde die Trasse bereits gerodet. Nun geht es dem Danni an den Kragen, 60 Hektar sollen hier fallen, die Autobahn wird mitten hindurchführen. Der Tod des Ökosystems ist dann besiegelt. Doch im Erdreich bahnt sich ein weiteres Desaster an. Wolfgang Dennenhöfer vom BUND-Vogelsberg malt mit einem Ast Umrisse auf den Waldweg: „Unter dem Gebiet befindet sich in einer S-Schleife ein riesiger Wasserkörper, der 500.000 Menschen mit Trinkwasser versorgt."
Im Krieg wurden in Stadtallendorf noch keine ungesunden Zuckerwaren, sondern Munition fabriziert. Die Altlasten in Form von Trinitrotoluol, besser bekannt als TNT, schwimmen in einem bislang begrenzten Bereich auf dem Wasserkörper. „Eine extrem komplizierte Brunnenmechanik verhindert, dass sich das TNT durch Strömungen in das Trinkwasser ausbreitet und es vergiftet. Doch für die geplante Autobahnbrücke über das Gleental – und genau hier sitzt die schützende Konstruktion – werden die Pfeiler 30 Meter tief eingerammt und der Wasserkörper verletzt“: Es droht eine Verseuchung des Trinkwassers in gigantischem Ausmaß. Der Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke bezeichnet den Autobahnbau deshalb als „Operation am offenen Herzen“.
Das hat auch das Bundesverwaltungsgerichtes bemängelt, auch wenn sein Urteil eine Klatsche für jeden Naturschützer ist, denn es hält die Planungen und die geschlossenen Verträge für das höherwertige Rechtsgut als den Schutz der Lebensgrundlagen. Deshalb muss die DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) einen Plan B nachliefern, wie sie das Trinkwasser gegen die Vergiftung schützen wollen. „Den Plan gibt es nicht, den kann es auch gar nicht geben“, so Wolfgang Dennenhöfer, der die Klage am BverwG vorbereitet hat, und weiter: „die Befürworter wollen das Trinkwasser dann eben woanders herholen“. Doch woher soll das Wasser kommen, jetzt, wo in weiten Teilen Deutschlands Wassermangel herrscht? Etwa aus dem Nordschwarzwald? Schließlich ist der Danni nur gut 200 Kilometer entfernt …
Wir sehen uns im Wald, bis danni! Eure Sibylle